Forschende der Goethe-Universität Frankfurt am Main haben gemeinsam mit internationalen Partnern eine Literaturstudie veröffentlicht. Sie zeigen darin: Luftverschmutzung gefährdet nicht nur die menschliche Gesundheit, sondern auch Flüsse, Seen und Küstengewässer. Organische Schadstoffe aus der Luft belasten aquatische Ökosysteme weltweit. Gleichzeitig bestehen erhebliche Wissenslücken und die aktuelle Bewertungsrahmen greifen zu kurz.
Luftschadstoffe im Wasser
Feinstaubpartikel und daran gebundene Chemikalien gelangen über Regen, Staub oder Abschwemmungen in Flüsse, Seen und Küstengewässer. Dort lagern sie sich in Sedimenten ab oder binden an Schwebstoffe – mit gravierenden Folgen: von Entwicklungsstörungen bei Fischen über hormonelle Effekte bis hin zu Biodiversitätsverlusten. Da viele dieser Stoffe nur schwer abbaubar sind, können sie sich über Jahre in aquatischen Ökosystemen anreichern.
Ansatz des Teams
Für die Studie haben die Forschenden mehr als 150 Publikationen ausgewertet. Im Fokus standen partikelgebundene organische Schadstoffe wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAHs), Pestizide, Flammschutzmittel und neue Substanzen wie 6PPD-Quinon aus Reifenabrieb. Die Studie fasst den aktuellen Forschungsstand zu Transportwegen und ökotoxikologischen Effekten zusammen und legt ein besonderes Augenmerk auf die Rolle von Schwebstoffen. Schwebstoffe wirken in Flüssen und Seen sowohl als Quelle wie auch als Senke für eingetragene Schadstoffe.
Zentrale Ergebnisse
- Weitreichender Transport: Schadstoffe werden über lange Distanzen verfrachtet und gelangen bis in entlegene Gewässer.
- Vielfältige Eintragspfade: Neben Regen und Staub spielen auch Oberflächenabfluss, Kanalisation und Abwässer eine Rolle.
- Ökotoxikologische Risiken: Belastete Sedimente und Schwebstoffe können beispielsweise Entwicklungsstörungen oder genetische Veränderungen bei Fischen und anderen Wasserorganismen auslösen.
- Neue Substanzen: Transformationen wie 6PPD-Quinon aus Reifen oder Methoxyphenole aus Biomasseverbrennung zeigen hochtoxische Befunde.
Bewertung und Forschungsbedarf
Die Autorinnen und Autoren betonen, dass aktuelle Risikobewertungen nicht ausreichen:
- Forschungslücken: Viele relevante Stoffe werden bisher nicht erfasst. Methoden für Probenahmen und Labortests sind bislang nicht standardisiert.
- Regulierung aktualisieren: Bestehende Abkommen wie das Genfer Übereinkommen zu grenzüberschreitenden Luftverunreinigungen (CLRTAP) haben erhebliche Erfolge gebracht, decken neue Schadstoffe aber nicht ab.
- Neue Methoden nutzen: Effektbasierte Tests wie der Fisch-Embryo-Test oder Mutagenitätstests können helfen, reale Belastungen besser sichtbar zu machen.
Bedeutung für Hessens Wasserzukunft
Die Studie zeigt: Luftverschmutzung ist ein globales Problem, das bis in unsere Gewässer hineinwirkt. Ein konkreter Ansatzpunkt zum Schutz hessischer Gewässer könnte der Ausbau von Regenwassersystemen sein. Wenn abgespülte (Luft-)Schadstoffe wirksam zurückgehalten werden, verbessert sich die Gesundheit unserer Gewässerökosysteme.
Prof. Dr. Jörg Oehlmann, Sprecher des KWH, betont:
„Wir brauchen eine integrierte Sichtweise: Wir müssen Luft- und Wasserqualität zusammen denken. Um die Effekte der Luftverschmutzung zu bewerten, reicht die klassische Analytik allein nicht aus – wir sollten effektbasierte Methoden nutzen, um die Risiken für aquatische Organismen sichtbar zu machen.“
Die vollständige Studie „Aquatic ecosystems as a final receptor of atmospheric organic particulate-bound pollutants: a plea for the integration of aquatic ecotoxicology into the risk assessment of air pollution“ ist online verfügbar.
Partner
- Goethe-Universität Frankfurt am Main – Abteilung für Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie
- Goethe-Universität Frankfurt am Main – Abteilung Aquatische Ökotoxikologie
- Goethe-Universität Frankfurt am Main – Institut für Atmosphäre und Umwelt
- Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) – Department Exposure Science
- Kompetenzzentrum Wasser Hessen
- Fraunhofer-Institute für Molecular Biology and Applied Ecology IME – Department Media-related Ecotoxicology