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© Sarah Betz-Koch

Auswirkungen wiederkehrender Pestizid-Pulse auf aquatische Lebensgemeinschaften

Kurzfristige und wiederkehrende Pestizid-Einträge belasten kleine Fließgewässer stärker als bisher angenommen. Eine Studie der Goethe-Universität zeigt: Schon sehr niedrige Konzentrationen des Insektizids Deltamethrin – wie sie bei Regenereignissen in kleinen Gewässern auftreten – wirken sich negativ aus, wenn sie wiederholt auftreten. Die Pestizid-Pulse führten in der Studie bei empfindlichen Insekten zu erhöhter Sterblichkeit sowie verringerter Emergenz und veränderten Artinteraktionen. Besonders kritisch: Konzentrationen, die als unbedenklich gelten, verursachten eine stärkere Wirkung je länger die Erholungszeiten zwischen den Pulsen waren.

Studiendesign mit Mesokosmen

Die Forschenden setzten zwölf künstliche Fließrinnen (je 3 m Länge) im Labor ein, um natürliche Bedingungen wie Strömung und Temperatur nachzubilden. Sie testeten neben Negativ- und Lösungsmittelkontrollen vier Szenarien mit 4 Deltamethrin-Pulsen (jeweils 12 h appliziert). Die entscheidende Variation bestand in der Länge der Erholungsphasen zwischen den Pulsen (1, 3, 5 oder 7 Tage).

Die benthische Lebensgemeinschaft in die Fließrinnen bestand aus Ephemera danica (Eintagsfliegenlarven), Gammarus pulex (Flohkrebse), Potamopyrgus antipodarum (Zwergdeckelschnecken) und Lumbriculus variegatus. Beobachtet wurden Mortalität, Reproduktion, Energiehaushalt und die erfolgreiche Emergenz der Insekten – ein zentraler biologischer Endpunkt. Die Testdauer betrug 98 Tage, damit auch chronische Effekte sichtbar werden konnten. Chemische Analysen dienten der Dokumentation von Adsorption an das Sediment und dem Verlauf der wässrigen Konzentration.

Zentrale Ergebnisse auf einen Blick

  • Starke Auswirkungen auf Eintagsfliegen: Höhere Sterblichkeit und bis zu 30 % geringerer Emergenzerfolg bei 5- und 7-Tage-Erholungsphasen.
  • Je länger die Pause, desto größer der Schaden: Entgegen der Erwartung führten längere Erholungsphasen zu stärkeren Effekten als kurz aufeinanderfolgende Pulse.
  • Nachweisbare Rückstände von Deltamethrin im Sediment: Trotz schneller Abnahme im Wasser fanden sich relevante Mengen des Insektizids im Sediment – besonders bei langen Erholungsphasen.
  • Juvenile Gammariden stark betroffen: Die Zahl der Nachkommen sank in mehreren Behandlungsgruppen signifikant.
  • Artinteraktionen verändern sich: Weniger empfindliche Arten wie die Zwergdeckelschnecke profitierten von der erhöhten Sterblichkeit der Insektenlarven.
  • Keine Effekte bei Ringelwürmern: Für Lumbriculus variegatus wurden keine signifikanten Veränderungen festgestellt.

Konsequenzen für Monitoring und Gewässerschutz in Hessen

Kleine Bäche und Nebengewässer prägen viele hessische Landschaften. Sie reagieren empfindlich auf kurzzeitige Schadstoffeinträge, wie es die Studie beispielhaft für Pestizide zeigt. Maßnahmen, die daraus folgen sollten:

  • Monitoring anpassen: Im routinemäßigen Monitoring ereignisbezogene Probenahmen berücksichtigen, um stoffliche Peak-Belastungen erfassen zu können.
  • Prioritäre Hotspots identifizieren: Kleine Agrarbäche und Oberläufe sind besonders sensibel und können gleichzeitig besonders belastet sein.
  • Weiterentwicklung eines realitätsnahen Risikomanagements: Bewertung ökotoxikologischer Risiken auf Gemeinschaftsebene.

Die vollständige Studie „Timing matters: impact of different frequencies of low pesticide pulses on aquatic invertebrates“ ist online verfügbar.

Beteiligte Institutionen