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Biomonitoring: Neue Perspektiven für ein zeitgemäßes Gewässermonitoring

Chemische Schadstoffe wie Pestizide, Arzneimittelrückstände oder Industriechemikalien belasten Flüsse und Bäche zunehmend – auch in Hessen. Die Erfassung dieser Belastungen erfolgt bislang hauptsächlich über chemische Analysen, die jedoch nur einen begrenzten Teil der tatsächlichen Schadstoffwirkung abbilden. Eine neue Übersichtsstudie zeigt nun, wie Biomonitoring-Methoden dieses Defizit gezielt ausgleichen können.

Wissenschaftliche Ergebnisse im Überblick

Das Forschungsteam analysierte 85 Studien, die sich mit den Auswirkungen chemischer Belastungen auf biologische Qualitätskomponenten wie Fische, Makroinvertebraten, Diatomeen und Makrophyten befassen. Dabei ließen sich fünf grundlegende Biomonitoring-Ansätze identifizieren:

  1. Monitoring nativer Lebensgemeinschaften
  2. Laborbasierte Bioassays mit Wasser- oder Sedimentproben
  3. In-situ-Tests mit lebenden Organismen direkt im Fließgewässer
  4. Mesokosmen-Experimente unter naturnahen Bedingungen
  5. Beobachtung und Analyse wilder Populationen

Diese Methoden erfassen die Auswirkungen von Schadstoffen auf verschiedenen biologischen Ebenen – vom Molekül bis zur Lebensgemeinschaft. Effektbasierte Methoden (Effect-Based Methods, EBM) zeigen beispielsweise Reaktionen auf hormonell wirksame Substanzen, genotoxische Wirkungen oder Verhaltensänderungen.

Ein zentrales Ergebnis: Kein einzelner Ansatz liefert ein vollständiges Bild der Schadstoffwirkung. Erst die Kombination verschiedener Methoden ermöglicht eine valide Einschätzung ökologischer Risiken. Gleichzeitig fordern die Forschenden eine stärkere Integration dieser Methoden in bestehende gesetzliche Monitoringprogramme wie die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL).

Übertragbarkeit und Anwendung in Hessen

Die in der Publikation dargestellten Methoden und Prinzipien lassen sich gut auf hessische Gewässer anwenden. In vielfältig belasteten Fließgewässern wie der Nidda werden sie im Rahmen von Forschungsarbeiten immer wieder eingesetzt. Im Fokus stehen dabei nicht nur langfristige Einträge, sondern auch kurzfristige, schwererfassbare Belastungsspitzen. Prof. Dr. Andrea Sundermann betont „Biomonitoring bietet die Chance, Schadstoffwirkungen dort sichtbar zu machen, wo chemische Analysen an ihre Grenzen stoßen. Gerade für Fließgewässer, die durch vielfältige Einträge belastet sind, eröffnen die vorgestellten Methoden neue Möglichkeiten zur Ursachenklärung und Bewertung des ökologischen Zustands.“

Generell liefern die Ergebnisse wichtige Impulse für den Umgang mit Schadstoffen in Fließgewässern:

  • Biomonitoring-Methoden können bestehende chemische Analysen ergänzen, insbesondere bei unbekannten oder schwer messbaren Substanzen.
  • Die Methoden können die Umsetzung der WRRL unterstützen und ermöglichen eine realistischere Bewertung des chemischen und ökologischen Zustands.
  • Effektbasierte Methoden erlauben eine frühzeitige Erkennung potenzieller Risiken – z. B. bei temporären Belastungsspitzen.

Fazit & Ausblick

Die Studie bietet eine fundierte Grundlage für die Weiterentwicklung des Gewässermonitorings – auch in Hessen. Mit Prof. Dr. Andrea Sundermann – Mitglied im Direktorium des KWH und Sprecherin der Arbeitsgruppe Gewässerökologie –, Prof. Dr. Henner Hollert – Sprecher der Arbeitsgruppe Ökotoxikologie – und PD Dr. Mathias Oetken waren gleich mehrere Partner des KWH an der Studie beteiligt. Das KWH wird mit ihrer Expertise die weitere Entwicklung verfolgen und sich für die stärkere Integration von Biomonitoring-Ansätzen in Monitoringprogramme einsetzen.

Kooperationspartner

Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung – Fließgewässerökologie & Naturschutzforschung
Goethe-Universität Frankfurt am Main – Institut für Ökologie, Evolution und Diversität
Umweltbundesamt (UBA)
Goethe-Universität Frankfurt am Main — Abteilung für Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie
Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME) – Angewandte Oekologie
LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik
Goethe-Universität Frankfurt am Main – Abteilung Aquatische Ökotoxikologie
Kompetenzzentrum Wasser Hessen
Schweizerisches Kompetenzzentrum für angewandte, praxisorientierte Ökotoxikologie (Oekotoxzentrum)