Neue Studie zeigt: Ökologischer Zustand hängt stark von Wasserqualität ab
Renaturierungen verbessern die Struktur unserer Flüsse – doch reicht das, um die ökologische Qualität nachhaltig zu erhöhen? Eine aktuelle Studie der Goethe-Universität Frankfurt und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung unter Beteiligung des Kompetenzzentrums Wasser Hessen zeigt: Trotz besserer Lebensraumstrukturen profitieren viele Gewässerorganismen, insbesondere wirbellose Tiere, nur begrenzt. Chemische Belastungen aus diffusen und punktuellen Quellen bleiben ein entscheidender Hemmfaktor für den ökologischen Erfolg.
Konzept der Untersuchung
Im Rahmen der vom Umweltbundesamt geförderten Studie untersuchte das Forschungsteam zehn Renaturierungsprojekte in Hessen und Baden-Württemberg. Erfasst wurden jeweils ein renaturierter und ein oberhalb gelegener, nicht renaturierter Kontrollabschnitt. Neben klassischen ökologischen Kennwerten – etwa zur Artenvielfalt von Makrozoobenthos – kamen auch chemische Analysen und sogenannte effektbasierte Methoden (EBMs) zum Einsatz. Diese biologischen Testverfahren erlauben es, Mischwirkungen von Schadstoffen in Wasser und Sediment ganzheitlich zu bewerten.
Die Untersuchungen umfassten Fließgewässer verschiedener Typen mit Einzugsgebieten von 13 bis 160 km². Untersucht wurden sowohl junge Renaturierungen (bis 4 Jahre alt) als auch ältere Maßnahmen (bis zu 29 Jahren). Damit konnte erstmals geprüft werden, ob sich der ökologische Zustand und durch stoffliche Belastungen verursachte toxikologische Effekte im Laufe der Zeit verringern.
Zentrale Ergebnisse
- Strukturelle Verbesserungen: In allen Projekten wurde die Lebensraumqualität in den renaturierten Abschnitten deutlich verbessert – vollständig natürliche Zustände wurden jedoch nicht erreicht.
- Begrenzte biologische Reaktion: Die Artenvielfalt nahm nur leicht zu. Der ökologische Gesamtzustand blieb im Mittel „unbefriedigend“.
- Chemische Belastung als Schlüsselproblem: In vielen Proben wurden toxische Effekte festgestellt, vor allem oxidative Stressreaktionen, dioxinähnliche Aktivitäten und Embryotoxizität bei Fischeiern. Besonders die Sedimentproben zeigten erhöhte Wirkungen und hohe Gehalte polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK).
- Kein zeitlicher Erholungstrend: Im Vergleich wiesen ältere Renaturierungen keine signifikante Verbesserung der ökologischen oder chemischen Parameter auf. Lokale Einträge aus Abwasser, Landwirtschaft oder Straßenabflüssen bleiben bestimmend.
- Positive Ausnahmen: Dort, wo die chemische Belastung gering war, zeigten sich auch bessere biologische Qualitätswerte – ein Hinweis auf das Potenzial kombinierter Maßnahmen.
Bedeutung für Hessens Wasserzukunft
Für Hessen, eines der am dichtesten besiedelten und verkehrsreichsten Bundesländer Deutschlands, sind die Studienergebnisse besonders relevant. Hier treffen zahlreiche Renaturierungsmaßnahmen auf ein enges Netz aus Siedlungs-, Verkehrs- und Landwirtschaftsflächen – und damit auf vielfältige Belastungsquellen. Die Untersuchung zeigt deutlich: Morphologische Verbesserungen allein reichen nicht aus, um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) – den „guten ökologischen Zustand“ aller Gewässer – zu erreichen.
Chemische Belastungen aus Abwasser, Straßenabflüssen, diffusen landwirtschaftlichen Einträgen und Altlasten wirken vielerorts fort. Sie können den Erfolg von Renaturierungen erheblich begrenzen und müssen deshalb gezielt reduziert, überwacht und in die Gewässerbewertung integriert werden. Die Studie macht deutlich:
- Innovative Verfahren fördern: Effektbasierte Methoden (EBMs) ermöglichen es, Schadstoffbelastungen einfach als Mischwirkung zu erkennen und gezielt nach Ursachen und Lösungen zu suchen.
- Belastungsquellen gezielt adressieren: In urbanen und verkehrsnahen Einzugsgebieten müssen Abflüsse aus Siedlungs-, Straßen- und Gewerbeflächen stärker berücksichtigt werden – ebenso wie diffuse Nähr- und Schadstoffeinträge aus der Landwirtschaft.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Renaturierung als Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden muss – sie gelingt nur, wenn neben der Struktur auch die Wasserqualität im Fokus steht“, betont Prof. Dr. Jörg Oehlmann, Sprecher des Kompetenzzentrum Wasser Hessen.
Die vollständige Studie „Ecotoxicological impacts and macroinvertebrate responses as indicators of river restoration success“ ist online verfügbar.
Projektpartner:
