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Fenton-Reaktion neu gedacht: Innovative Kombination entfernt Mikroschadstoffe effizient aus Abwasser

Eine neue Studie der Technischen Universität Darmstadt (TU Darmstadt) zeigt: Wird die Fenton-Reaktion bei neutralem pH-Wert betrieben, kann eine Eisen-Flockung mit einem oxidativen Spurenstoffabbau kombiniert werden. Die bei der klassischen Fenton-Reaktion notwenigen pH-Anpassungen müssen dann nicht vorgenommen werden. Das Verfahren verspricht eine wirksame Ergänzung für die Abwasserbehandlung der Zukunft. Die Technologie ist durch ein Patent beim Deutschen Patent- und Markenamt geschützt (Patentnummer 10 2022 102 849, Patenthalter ist die ALMAWATECH GmbH, 64832 Babenhausen, mit Cheolyong Kim, Jochen Schumacher und Holger Lutze in der Rolle als Erfinder).

Konzept der Untersuchungen

Die Aktivierung von Wasserstoffperoxid durch Zugabe von Eisen(II) bei saurem pH-Wert ist seit über 150 Jahren bekannt und trägt ihren Namen Fenton-Reaktion seit den ausführlichen Untersuchungen von H. J. H. Fenton. Dennoch birgt das komplizierte Geflecht von Reaktionen und Gleichgewichten, immer noch viele offene Fragen, etwa zur Bildung von reaktiven Spezies bei neutralem pH- Wert. An der TU Darmstadt wurde unter Beteiligung mehrerer nationaler und internationaler Partner die sogenannte Fenton-Koagulation untersucht. Dies ist eine Kombination aus der bekannten Fenton-Reaktion (Eisen(II) + Wasserstoffperoxid → Hydroxylradikalen; Spurenstoffabbau) mit anschließender Flockung durch das entstehende Eisen(III) zur Elimination von organischem Material. Im Gegensatz zur klassischen „sauren“ Fenton-Reaktion, wird die Fenton-Koagulation bei pH-Wert 6–7 durchgeführt, was den Einsatz auch in der der konventionellen Abwasseraufbereitung erleichtert.

Zentrale Ergebnisse

  • Effektive Schadstoffentfernung: Leicht oxidierbare Substanzen wie Bisphenol A wurden zu über 90 % entfernt. Auch 14 real vorkommende Spurenstoffe, darunter Diclofenac (Schmerzmittel) und Irbesartan (Blutdrucksenker), konnten signifikant abgebaut werden.
  • Abbau von organischem Material: In Gewässerproben konnte bis zu 51 % des gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) entfernt werden – ein Wert, der deutlich über der Ozonung liegt (ohne biologische Behandlung).
  • Stabile pH-Bedingungen: Die Fenton-Koagulation funktionierte zuverlässig bei pH-Werten nahe 7, wodurch eine aufwändige Säurezugabe vermieden wird.
  • Wirtschaftlichkeit: Die Betriebskosten liegen im Schnitt leicht über denen der Ozonung, allerdings kann die Fenton-Koagulation nicht „nur“ Spurenstoffe, sondern auch organisches Material entfernen.
  • Minimierte Nebenprodukte: Das Verfahren erzeugt weniger potenziell toxische Nebenprodukte wie Bromat oder Nitrosamine im Vergleich zur Ozonung.

Relevanz für die hessische Wasserinfrastruktur

Mit Blick auf die anstehende Umsetzung der novellierten Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) und den zunehmenden Druck, den Eintrag von Mikroschadstoffen in sensible Wasserkörper zu reduzieren, eröffnet die Fenton-Koagulation neue Handlungsspielräume. Besonders für Regionen wie das Hessische Ried – als zentrales Trinkwassergewinnungsgebiet – ist der Schutz des Grundwassers von herausragender Bedeutung. Die in der Studie untersuchte Technologie erlaubt unter realitätsnahen Bedingungen eine kombinierte Entfernung von Mikroschadstoffen und organischen Material.

Technologische Weiterentwicklung mit Anwendungsnähe

Das Kompetenzzentrum Wasser Hessen sieht die Ergebnisse der Studie als wichtigen Beitrag zur praxisnahen Weiterentwicklung bestehender Verfahren. Der innovative Ansatz der Fenton-Koagulation adressiert zentrale Herausforderungen der kommunalen Abwasserreinigung und des Gewässerschutzes gleichermaßen.
Prof. Dr. Holger Lutze, Mitglied im Direktorium des KWH und Mitautor der Studie, betont: „Bei der Fenton-Koagulation kann der Abbau von Mikroschadstoffen mit der Flockung kombiniert werden und in bestehende Strukturen (wie eine konventionelle Eisenflockung) integriert werden.
Die Ergebnisse bieten eine fundierte Grundlage für nächste Entwicklungsschritte – etwa im Rahmen von Pilotanwendungen oder Verbundprojekten mit kommunalen Betreibern.

Weitere Informationen

Die vollständige Studie Fenton–coagulation process for simultaneous abatement of micropollutants and dissolved organic carbon in treated wastewater ist online verfügbar.

Fragen zum Verfahren und zum Patent beantwortet Prof. Dr. Holger Lutze: h.lutze@iwar.tu-darmstadt.de

Partnerinstitutionen

Technische Universität Darmstadt – Institut IWAR
Incheon National University (South Korea)
Evonik Operations GmbH
BHU Umwelttechnik GmbH
IWW Zentrum Wasser
Kompetenzzentrum Wasser Hessen